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Prävention von Gewalt in der Familie – Vortrag von Prof. Dr. Martin Hafen

Aufzeichnung des Referats von Prof. Dr. Martin Hafen, Soziologe und Präventionsexperte, vom 2. Juni 2022 in voller Länge und als Zusammenfassung.



Der Referent des Abends, Prof. Dr. Martin Hafen, Soziologe, Projektleiter, Dozent an der Hochschule Luzern und ausgewiesener Präventionsexperte, legte in seinem Vortrag eindrücklich dar, dass wirkungsvolle Prävention von Gewalt in der Familie eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, die möglichst früh ansetzen müsse, denn

«Prävention der Verschlimmerung eines Problems kann nicht die Lösung sein.»

Aufbauend auf systemtheoretischen Grundlagen legte Hafen die zahlreichen Aspekte von Gewaltprävention dar und machte deutlich, dass die Unterstützung von Familien mit Unterstützungsbedarf, die Reduktion der Isolation von Familien, das Bilden von interprofessionellen Netzwerken als Früherkennungsinstanzen und die ressourcenorientierte Begleitung von Familien eine wesentliche Rolle spielen.


Positive Erfahrungen begünstigen die Resilienz im späteren Leben

Wie wichtig positive Erfahrungen der Kinder bereits in der Schwangerschaft, den ersten Lebensmonaten und Jahren sind, unterstrich Martin Hafen. Durch eine laufende Auseinandersetzung mit der Umwelt würden sich im Gehirn und der Psyche permanent Strukturen bilden, die wiederum Basis für die Weiterentwicklung seien.


Wächst ein kleines Kind unter günstigen Bedingungen auf, so bilden sich Strukturen (Schutzfaktoren und Lebenskompetenzen), die die Resilienz (Widerstandsfähigkeit) im späteren Leben begünstigt, um die Herausforderungen des Lebens zu meistern. Wächst ein Kind unter ungünstigen Bedingungen auf, steigt hingegen die Wahrscheinlichkeit der Bildung von Strukturen, die die körperliche, psychische und soziale Entwicklung beeinträchtigen.

Jennifer Rheinberger, Margot Sele, Gertrud Gantenbein, Prof. Dr. Martin Hafen, Gertrud Hardegger, Alexandra Schiedt und Beatrice Brunhart-Risch (v. l.). Bild: Daniel Schwendener

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen sind Gründe für Gewalt

Martin Hafen rät, insbesondere der Stressbelastung von Familien grosse Aufmerksamkeit zu schenken. Stressfaktoren, die Gewalt begünstigen können, sind unter anderem gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Geringe finanzielle Mittel der Familien würden das Leben in kleineren Wohnungen, in verkehrsbelasteten Quartieren und häufigen Isolation bedingen.

«Welche Familie kann es sich heute leisten, nur von einem Einkommen zu leben?»

War früher fast ein «ganzes Dorf» für die Erziehung der Kinder verantwortlich, sind es heute meist Kleinstfamilien. «Es gibt viele alleinerziehende Mütter, die zusätzlich selbst Geldverdienen müssen. Das bedeutet Stress. Aber auch in intakten Familien, hat die Präsenz der Väter noch Verbesserungspotenzial», so Hafen.


Einfluss haben aber auch eine fehlende Gesetzgebung (Schweiz), patriarchale Strukturen die gesellschaftliche Akzeptanz von Gewalt in der Familie, oder auch die Geringschätzung von Kindern und der Familienarbeit.


Chancengleichheit in der Bildung, Migration und Raumplanung

Wie können wir Kinder schützen? Die Sensibilisierung der Gesellschaft sieht Martin Hafen als ein Element der Präventionsmassnahmen, eine Kampagne kann das Thema in die Öffentlichkeit tragen und damit notwendige Massnahmen anstossen.


Das Verbot der Gewalt in der Erziehung sei zwar wichtig, lasse sich aber nur bedingt kontrollieren: «Bei der körperlichen Gewalt ist das noch relativ einfach, unmöglich aber bei kommunikativer Gewalt, bei Nichtbeachtung und Abwertung der Kinder.» Hafen plädiert deshalb für die Unterstützung von Familien, die besonderen Bedarf benötigen – möglichst ab der Schwangerschaft, allerdings nicht mit einem erhobenen Zeigefinger, sondern mit Anerkennung für das Geleistete.


Eine gute Politik engagiere sich nicht nur für die Entlastung von benachteiligten Familien und für Massnahmen der Frühen Förderung, sondern für die Chancengleichheit in der Bildung und den Bereichen Migration und Raumplanung. Um Kinder vor Gewalt zu schützen, brauche es nicht nur Einzelmassnahmen, sondern umfassende Programme, ist Martin Hafen überzeugt.

 

Das Referat von Martin Hafen in voller Länge


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